Unter dem Motto „20 Jahre – 20 Wochen – 200 Euro“ bieten wir interessierten Praxen einen Jubiläumsrabatt auf den regulären Assessmentpreis an.
Der Aktionszeitraum beginnt am 15. Februar und endet am 30. Juni 2025.
Interview mit dem Geschäftsführer
Interessant erschien uns auch, sich die Entwicklung der Qualitätsaktivitäten im ambulanten Gesundheitswesen im Verlauf der letzten 20 Jahre anzusehen. Dazu haben wir einen der Pioniere der Qualitätsförderung, unseren Institutsleiter Herrn Prof. Dr. med. Joachim Szecsenyi um ein Interview gebeten.
Lieber Herr Prof. Szecsenyi, in diesem Jahr feiern Sie mit dem aQua-Institut ein Doppel-Jubiläum. Seit 30 Jahren führen Sie das aQua-Institut – mittlerweile mit zwei weiteren Geschäftsführern – und seit 20 Jahren bietet das Institut das Europäische Praxisassessment (EPA), ein Qualitätsmanagement-System für Arztpraxen an. Herzlichen Glückwunsch zunächst einmal zu dieser langjährigen und erfolgreichen Lebensleistung.
Ja, danke, wenn man da so zurückblickt bin ich selbst etwas erstaunt. Aber in Wirklichkeit habe ich nur versucht einen guten Job zu machen. Und das ist auch keine Einzelleistung, sondern geht nur mit einem hervorragenden Team.
Lassen Sie uns bitte einmal gemeinsam zurückblicken. Das Wort „aQua“ steht für „Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen“. Was waren damals Ihre Beweggründe ein Institut, welches sich mit Qualität beschäftigt, zu gründen?
Die Gründung des Instituts erfolgte auf Basis der im Jahr 1992 konstituierten „Arbeitsgemeinschaft Qualitätsförderung in der Ambulanten Versorgung“, die ich zusammen mit einigen Kolleginnen und Kollegen aus der universitären Allgemeinmedizin gegründet hatte – also, da gab es auch schon ein AQUA. Ich war damals schon Teilhaber einer ländlichen Allgemeinpraxis im sogenannten „Zonenrandgebiet“ und nur noch in Teilzeit an der Universität. Wir hatten uns dann sehr für die Etablierung des Konzeptes "Ärztlicher Qualitätszirkel" und der bundesweiten Umsetzung von Moderatorentrainings engagiert. Dafür brauchten wir eine professionelle Struktur in Form des aQua-Instituts – jetzt Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH.
Einige Jahre später haben Sie dann eine weitere Idee verfolgt. Wie kamen Sie darauf bzw. woher wussten Sie, dass „Qualitätsmanagement (QM)“ ein Thema für Arztpraxen werden wird?
Zunächst lag der Fokus nicht auf dem Qualitätsmanagement im klassischen Sinne, so wie wir es heute verstehen, sondern die Bedeutung und Wichtigkeit des Themas „Qualitätsverbesserung“ nahm für Hausärzte, und zwar weltweit, zum Ende der 90er Jahre zu. Das Interesse und das Bedürfnis nach Sicherheit, nach optimierten Praxis- und Versorgungsstrukturen war groß. Hier musste also etwas getan werden und das war der Anlass, ein Vorhaben im Rahmen eines wissenschaftlichen Projektes mit Beteiligung mehrerer europäischer Länder zu beginnen.
Das muss eine große Herausforderung gewesen sein. Wie sind denn die Akteure aus Europa zueinander gekommen?
Ja, das war schon recht einmalig, zumindest im hausärztlichen Bereich. Damals bildete sich aus einer internationalen Arbeitsgruppe heraus, die sich mit dem Thema „Qualitätsverbesserung“ beschäftigte, eine europäische Initiative – die European Society for Quality and Safety in Family practice, kurz EQuiP. Mit Prof. Richard Grol, ehemaliger Direktor des Center for Quality of Care Research an der Universität Nijmegen aus den Niederlanden und Vorsitzender dieser Gruppe.
Wir haben dann im Jahr 2001 mit einer Analyse vorhandener internationaler QM-Systeme begonnen und sahen, dass bestehende Systeme nicht zum Kontext in der ambulanten Primärversorgung passten. Das untermauerte das Projektvorhaben, welches durch die wissenschaftlichen allgemeinmedizinischen Fachgesellschaften der teilnehmenden Länder und durch die Bertelsmann Stiftung, Gütersloh unterstützt wurde.
Was waren wichtige Voraussetzungen und wie konnten Sie sichergehen, dass Sie das richtige für die Primärversorgung tun?
Wichtig bei der Entwicklung waren unterschiedliche Gesichtspunkte. Wir haben viel Wert darauf gelegt und Zeit darauf verwendet, die Umsetzung von qualitätsverbessernden Maßnahmen mit Ärztinnen und Ärzten zu diskutieren, um bestmöglich allen Anforderungen gerecht zu werden. Ausgangspunkt war das niederländische „visitatje“ Konzept1. Für das EPA-System wurde der mehrperspektivische Ansatz übernommen und angepasst. Das heißt, es basiert zum einen auf Befragungsinstrumenten, bei denen die bedeutsame Patientensicht und die des gesamten Praxisteams mit einbezogen wird, und zum anderen auf dem Visitationskonzept. Denn der Blick von außen, durch eine qualifizierte, externe Person, ist unerlässlich. Denn nur so werden potenzielle Selbstangaben nachhaltig validiert. Außerdem sollte EPA kein Prüfmodell, sondern ein Verbesserungsmodell im Sinne des PDCA-Zyklus sein. Durch die projektspezifische Machbarkeitsstudie konnten wir erkennen, ob das Konzept bestehen würde.
Nun hatten Sie damit das QM-System für Arztpraxen geschaffen. Wie haben Sie das auf den Markt gebracht und wie war die Resonanz in den Praxen?
Zu der Zeit gab es eine breite gesundheitspolitische Diskussion in Deutschland und das Qualitätsmanagement hatte auch Einzug in das Sozialgesetzbuch (SGB 5) erhalten. Das heißt, dass Praxen ein QM etablieren mussten und müssen. Unser EPA-System wurde spezifisch für Deutschland angepasst und das wird es auch noch bis heute. Denn Trends müssen jederzeit aufgegriffen werden. Deshalb waren die Praxen auch von Anfang an sehr interessiert, da ihnen ja genau so ein umfassendes, unterstützendes Angebot gefehlt hatte.
Nun gibt es mittlerweile aber auch zahlreiche andere QM-Systeme. Worin unterscheidet sich EPA von anderen Systemen?
Dem EPA-System liegen wissenschaftlich fundierte Qualitätsindikatoren zu Grunde, die Qualität messen – und das lässt sich auch visualisieren. Dazu haben wir eine digitale Plattform, ein Tool erstellt, auf der die Praxisergebnisse dargestellt werden und das sogar mit einem Benchmark. Das heißt, EPA-Praxen können sich anonymisiert untereinander vergleichen. Auch im Zeitverlauf können Ergebnisse betrachtet werden, also hat sich etwas positiv weiterentwickelt oder sogar verschlechtert. Mit den Ergebnissen und auch mit dem bereits erwähnten Visitationskonzept, also dem Input von außen, können Praxen Optimierungspotenziale erkennen und Ziele erarbeiten. Anderen Systemen liegt oft eine einfache Selbstauskunft zugrunde. Das ist wenig hilfreich, denn hier fehlt der wichtigste Teil, und zwar der edukative Part, der die Praxen ins Handeln bringt. Erreichen Praxen bei EPA definierte Qualitätsziele und Kriterien, dann können sie zudem ein Qualitätssiegel der Stiftung Praxissiegel erhalten.
Was waren Ihre Höhen und Tiefen mit dem EPA-System?
Es gibt viel positives zu berichten. Wir haben zum Beispiel im Jahr 2009 den European Quality Award gewonnen – den renommiertesten Preis für QM in Europa.
Wir haben viele interessante Publikationen veröffentlicht. Eine sehr Bedeutsame im Jahr 2011 mit dem Ergebnis einer Studie, dass Qualitätsmanagement mit EPA in Praxen wirkt und Verbesserungen hervorbringt2.
Außerdem konnten wir das Angebot auch noch erweitern, indem wir Indikatoren für weitere Fachdisziplinen, z. B. Zahnmedizin, angeboten haben. Jetzt, nach 20 Jahren, können wir feststellen, dass wir mehr als 3.000 Praxisassessments allein in Deutschland umgesetzt haben. Einige Praxen führen jetzt ihr siebtes Assessment durch und bezeichnen sich schmunzelnd als „EPA-Junkies“, weil sie die Vorteile sehen. Über die gute Resonanz der Praxisteams freuen wir uns gemeinsam mit unseren engagierten Visitorinnen und Visitoren.
Dann sind im Laufe der Jahre viele Akteure des Gesundheitswesens aus dem In- und Ausland an uns herangetreten und wir haben das Konzept, insbesondere auch die Ergebnisdarstellung, mit unserem Auswertungstool in deren Praxen, aber auch in kleinere Krankenhäuser gebracht.
Die Situation veränderte sich mit Beginn der Corona-Pandemie als plötzlich alles still stand. Auch die vermehrte Bürokratie und der Personalmangel hindern Praxen zum Teil daran sich umfassend mit QM zu beschäftigen. Aber gerade auch in diesen schwierigen Jahren haben wir das EPA-System aus Überzeugung unterstützt. Bei einem kürzlich beendeten Projekt namens RESILARE zum Thema „Krisenresilienz in Arztpraxen stärken“, konnte beispielsweise wieder auf die EPA-Strukturen zurückgegriffen werden. Daraus resultierte dann auch ein weiteres inzwischen sehr erfolgreiches Programm zu Nachhaltigkeitsthemen für ärztliche Praxen – das Qualitätssiegel Nachhaltige Praxis. Hier haben wir rechtzeitig erkannt, dass Praxen dahingehend dringend Unterstützung benötigen.
Wenn Sie auf die QM-Landschaft zurückblicken. Wie beurteilen Sie die heutige Entwicklung?
QM ist selbstverständlicher geworden und recht gut etabliert. Dies zeigen auch die jüngsten Auswertungen der QM-Stichprobenüberprüfungen der KBV und der KZBV, die allerdings auf einer Selbstauskunft beruhen. Dennoch betrachten viele Kolleginnen und Kollegen QM leider noch als lästige Pflicht, die nichts kosten darf. Aber die Chance sollte nicht vertan werden, sich doch selbst Zeit zu nehmen und den Blick nicht nur auf das tägliche Versorgungsgeschehen zu lenken, sondern das Bedürfnis der Praxis selbst zu erkennen und interne Prozesse weiterhin zu verbessern. Gerade die zunehmenden Teilzeitarbeitsmodelle machen dies umso notwendiger, um den Teamgeist und die Motivation zu stärken und auch um Abläufe in der Praxis verbindlicher zu regeln.
Was sich außerdem verändert hat, ist die Siegel bzw. Zertifikatslandschaft. Diese tauchen mittlerweile in Hülle und Fülle auf, sodass es für Patientinnen und Patienten nicht leicht ist zu erkennen, was nun glaubhaft und seriös ist. Diesbezüglich wurde zwar seitens der Politik bereits vor Jahren ein erster Schritt unternommen, um die Patientinnen und Patienten besser zu informieren. Aber bis dato sind noch keine verlässlichen Informationen zu finden, zumindest nicht auf einfachem Weg. Wichtig ist, wenn eine Praxis gute Qualität liefert, dann sollte das auch anhand einer seriösen Überprüfung erfolgt und bestätigt sein.
Obwohl Sie eigentlich schon im wohlverdienten Ruhestand sein könnten, werden Sie sich weiterhin für qualitätsfördernde Projekte einsetzen?
Auf jeden Fall! Uns stehen spannende und herausfordernde Zeiten im Gesundheitswesen aber auch in der Gesellschaft insgesamt bevor. Da möchte ich weiter einen kleinen Beitrag für eine gute Patientenversorgung leisten.
Lieber Herr Prof. Szecsenyi, darüber freuen wir uns! Ich bedanke mich recht herzlich für die Ausführungen, Ihre Zeit für das Interview und wünsche Ihnen und dem aQua-Institut weiterhin alles Gute.
Das Interview führte Martina Köppen (Mitarbeiterin des aQua-Instituts; Projekt- und Produktmanagement)
1: van den Hombergh, P., Grol, R., van den Hoogen, H. J., & van den Bosch, W. J. (1999). Practice visits as a tool in quality improvement: acceptance and feasibility. Qual Health Care, 8(3), 167-171. https://doi.org/10.1136/qshc.8.3.167
2: Effectiveness of a quality-improvement program in improving management of primary care practices. CMAJ, 183(18), E1326-1333. https://doi.org/10.1503/cmaj.110412
13. März 2025 – GQMG-Jahrestagung – Hamburg
Wir sind bei der Jahrestaung der Gesellschaft für Qualitätsmanagement in der Gesundheitsversorgung e. V. vertreten.
Die Stiftung Praxissiegel e. V. informiert über die Qualitätssiegel in der ambulanten Versorgung. Im Rahmen einer Workshop-Session werden Aspekte des Qualitätsmanagements mit dem Europäischen Praxisassessment, z. B. zur Sicherheitskultur beleuchtet. Zwei weitere Vorträge widmen sich dem Thema nachhaltige Praxis.